Freitag, 14. September 2018

Hunderte Motorrädern mit illegalen Reifen unterwegs


Hunderte Motorrädern mit illegalen Reifen unterwegs

Was für ein Sommer! Immer noch hält eines der für Motorradfahrer besten Jahre an, fast kein Regen, somit trockene Straßen und trockene Offroadstrecken für viele Kilometer.
Insbesondere für die Offroadfraktion und denen welche gerne grobstollig unterwegs sind, tauchte Anfang des Jahres ein Problem auf, über das so gut wie nie ausführlich berichtet wurde.

Gemeint ist das Thema Reifen und Speedindex.  Innerhalb der EU wurde zum Anfang des Jahres einheitlich geregelt, dass Reifen deren Speedindex niedriger angegeben ist, als in den Zulassungspapieren der Motorräder eingetragen, nicht mehr genutzt bzw. auf öffentlichen Straßen und Wegen gefahren  werden dürfen.
Für die meisten Straßenmotorräder kein Problem; Ob eine ZZR oder eine R1,  Metzler, Michelin und Co bieten eine einigermaßen breite Auswahl mit entsprechend hohem Speedindex an.

Was ist der Speedindex und wo ist der auf Reifen ersichtlich?
Das dies ziemlich gut auf www.Motorradonline.de beschrieben ist, hier ein Auszug:

Ein Reifen zeigt auf seiner Seitenwand eine Menge Informationen über sich, z. B. seine Größe, seine Bauart, seine zulässige Höchstgeschwindigkeit (Speedindex, engl.), seinen Lastindex und sein Alter an.




Größe, Tragfähigkeit und Geschwindigkeit
Was also bedeutet zum Beispiel die Zeichenfolge  160/60 ZR 17 M/C (69W), genau?

Die erste Zahl 160 bezeichnet die Reifenbreite in Millimetern, früher waren auch Zoll-Angaben üblich. Die Zahl nach dem Schrägstrich 60 gibt das Verhältnis von Höhe zu Breite in Prozent an: 60 Prozent von 160 mm bedeuten also 96 mm Höhe.

Bei Reifen mit Radialkarkasse und obligatorischem Gürtel (sogenannte Radialreifen) folgt ein R, dem ein Z für die Zulassung über 240 km/h voranstehen kann.

Bei einem Reifen mit Diagonalkarkasse ohne Gürtel ("Diagonalreifen") stünde stattdessen ein Bindestrich. Reifen mit Diagonalkarkasse und Gürtel ("Diagonalgürtel­reifen") kennzeichnet an dieser Stelle ein B (wie "belt", englisch für Gürtel).

Die nächste Zahl, im Bsp.  17,  ist der Felgendurchmesser in Zoll.
M/C zeigt an, dass es sich um einen Motorradreifen handelt.

Die folgende Ziffernangabe ist der Lastindex: Je höher die Zahl, desto mehr Last kann der Reifen tragen. Die 69 steht für eine maximal zulässige Last von 325 kg.

Der letzte Buchstabe, hier W, gibt die zulässige Geschwindigkeit [Speedindex] an; der Reifen ist also für 270 km/h zugelassen.

Geschwindigkeitscodes bei Reifen
Im Einzelnen bedeuten die Buchstaben, die die zulässige Geschwindigkeit codieren:
J = 100 km/h - K = 110 km/h - L = 120 km/h - M = 130 km/h
N =140 km/h - P = 150 km/h - Q = 160 km/h - R = 170 km/h
S = 180 km/h - T= 190 km/h - U = 200 km/h - H = 210 km/h
V = 240 km/h - W=270 km/h - Y = 300 km/h

Ein Reifen muss für die in den Fahrzeugpapieren eingetragene Höchstgeschwindigkeit + 10 % geeignet sein.

Ein  Motorrad, das laut Fahrzeugpapieren 185 km/h erreichen kann, braucht also Reifen mit dem Geschwindigkeitsindex H oder höher (185 x 1,1 = 203,5).

Auszug ENDE

Werbefoto Continental.com


Wieso sind nun plötzlich Hunderte illegal unterwegs?

Nun, das betrifft, wie oben gesagt, die Grobstöller. D.h. meist die großen Adventure Brummer wie BMW GS oder KTM 1190 u.a.

Es gibt für diese Bikes nämlich nicht immer geeignete Offroadreifen, welche dem Speedindex entsprechen. Bis Ende 2017 gab es in Deutschland (und nur in Deutschland!) die Möglichkeit auch einen Reifen mit niedrigerem Speedindex zu fahren als in den Papieren angegeben. Dazu musste der Reifen die M+S (Matsch und Schnee) tragen und zusammen mit einem  Aufkleber mit der Angabe der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit des Reifens im Sichtfeld des Fahrers, also neben dem Tacho o.ä. angebracht werden. Das war bisher eine Gesetzeslücke mit Winterreifen beim Motorrad. (Eine gute und genaue Beschreibung hierzu ist zu finden unter dem Link https://www.mopedreifen.de/News/WICHTIGE-ÄNDERUNG-StVZO-ab-2018-für-Motorräder.html?id=24


Doch seit Anfang des Jahres ist es damit passé. Es gilt noch ein Bestandsschutz (Nur in D!) für Reifen mit dem Produktionsjahr 2017 (bis maximal 2024). Mit den Reifen aus 2017 kann zusammen mit dem Aufkleber noch gefahren werden. Wohl gemerkt: Nur in Deutschland. Wer in Italien erwischt wird, hat Pech. Beschlagnahme, Strafe etc. können die Folge sein.  Und durch die Rennleitung im Ausland kann sehr wohl deutsche Fahrzeugscheine lesen.

Die Reifenhersteller haben reagiert: Sie produzieren dieses Jahr munter Reifen mit Produktionsjahr 2017! Unglaublich? Frag mal bei den Händlern nach...(siehe auch Link oben)

Die Motorradhersteller reagierten  z.T. auch: So wurde die neue KTM 1290 Adventure werksseitig auf 220 Vmax gedrosselt. Die 1190er Vorgängerin nicht (<240). Offenbar sind die Reifenhersteller nicht gewillt offroad Reifen mit höherem Speedindex zu „backen“.

Merkwürdig ist auch, das auf Hersteller Events das Thema kaum bekannt ist; So fuhren dieses Jahr zum KTM Offroad Event auf Sardinien einige hunderte Adventure Brummer mit ihren illegalen Offroadreifen oder ließen sich diese vor Ort aufziehen. Nach unseren Infos gab es keine Kontrollen deshalb vor Ort. Die Italienfahrer unter uns kennen aber die zunehmende Strenge (oder Geldgier des Staates ?) der Carabinieri.

Fazit

Jeder ist selbst verantwortlich für die Betriebserlaubnis seines Moppeds. Nur sollte man sich echt ausführlich über die Sachlage informieren. Manch Händler macht bei diesem Thema „große Augen“.

Diffuse Rechtslage
Dieser Artikel erhebt nun keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder absolute Aktualität, den es ist weder bei Herstellern der Reifen, noch bei den Motorradherstellern oder von EU und deren Kommissionen etwa Schriftliches zu erhalten, das man im Zweifel einem Polizisten zeigen könnte.

Sofern unter der Leserschaft aktuellere Infos belegbar vorliegen, so sendet diese bitte ein, wir erweitern den Artikel gerne.  Denn auch uns ist daran gelegen mehr Rechtssicherheit zu erlangen (abgesehen von der eigenen Sicherheit).